Donnerstag, 5. Mai 2011

Santarem, den 27.April









Von Novo Airao zurück nach Manaus habe ich mit einem schweizerisch-brasilianischen Ehepaar mitfahren können. Peter und Roseli. Er aus Biel, einige Jahre in Amerika gelebt, der merkwürdige Akzent im Berndeutsch muss davon kommen, doch meistens in Brasilien. Wohnen tut man in Sao Paolo. Roseli besucht über Ostern ihren Ehemann, der zwei Autostunden von Manaus entfernt in Itaquatiara wohnt, einer Stadt mit 80'000 Einwohnern, einer Fabrik zur Sojaverarbeitung und einem Hafen zum Umladen der Ware auf Meerschiffe. Nicht sehenswert, meint Peter, doch auch Sitz der schweizerischen Gesellschaft „Precious Woods“, die hier umweltgerecht Holz abbaut. Nur einen Viertel des Ertrages habe man von einer Hektare Wald im Vergleich zu normalem Holzbau, nur einen Achtel zu dem, was häufig gemacht werde, nämlich Raubbau. Das rentiere nicht recht, denn mehr als einen Viertel Aufpreis seien die Konsumenten nicht bereit zu bezahlen für FSC-zertifiziertes Holz. Peter soll hier als Berater helfen, die Sache wieder rentabel zu machen. Eine schwierige Aufgabe, meint er. Das gleiche meint auch Jobao, der Professor für Forstwirtschaft. Er kennt Precious Woods ebenfalls. Die hätten ihre Verträge noch mit der früheren Regierung gemacht, meint er, da müsse man wieder neu anfangen. Brasilen sei sehr selbstbewusst, sehr protektionistisch. Ausländische Firmen, die hier arbeiten wollten, könnten nicht einfach ihre Arbeiter mitnehmen. Das erlaube die Regierung nicht. Mindestens 60% des Auftrages müsse im Land selber mit brasilianischen Leuten ausgeführt werden. Ich finde das gut - wenigstens verkaufen die Brasilianer ihre Bodenschätze und natürlichen Ressourcen nicht zu Schleuderpreisen. Wie das in Afrika geschieht, wo man nur irgend einem Potentaten ein Geschenk machen muss, das genügt, das Volk hat überhaupt nichts davon.

Einfach sei es überhaupt nicht für ausländische Firmen in Brasilien, meint Peter weiter. Einzig die grossen internationalen Konzerne könnten mithalten, dann hier in Brasilien gäbe es bereits riesige Unternehmen, es habe einen grossen Binnenmarkt. Und wenn ein Ausländer einmal einen Fehler mache in dem komplexen und komplizierten Steuersystem, dann könne er mit riesigen Nachzahlungen rechnen, da verstehe man keinen Spass. Häufig sei das dann das Ende eines Unternehmens. Man müsse sich da schon sehr gut auskennen in den brasilianischen Begebenheiten. Und gute Rechtsberater haben. Doch Fachleute - nicht solche nur gerade mit einem Unidiplom, auch Erfahrung im Land sei gefragt - die würden hier mehr verdienen als in der Schweiz. Nirgendwo auf der Welt sei der Unterschied zwischen schlecht verdienenden Leuten und Spitzenkräften so klein wie in der Schweiz. Die Bankenbranche ausgenommen.

Ich beklage mich darüber, dass Brasilien praktisch gleich teuer ist wie die Schweiz - aber dann eben doch nicht gleich gut. Ein mittelgutes Hotelzimmer kostet hier leicht 80.- Franken, doch funktioniert das Warmwasser möglicherweise nicht, gibt es kein Nachtischlämpchen, ganz selten hat es einen Tisch, selbst Stühle selten, die Vorhänge sind heruntergerissen und auf der Dachterrasse stehen kaputte schmutzige Plastikstühle herum, die Wände sind fleckig. Für 30.- Franken kriegt man zwar immer noch ein Zimmer, doch mit Gemeinschaftsbad von zweifelhafter Sauberkeit, ich habe immer mehr Mühe, mich damit abzufinden. Abgesehen von den Imbissbuden ist auch das Essen sehr teuer. Mit meinen neuen Bekannten aus Novo Airao bin ich in ein besseres Restaurant gegangen, das kostete 40.- Franken pro Person. Und war nicht besonders gut – mindestens für meinen Geschmack. Zuerst eine gratinierte Auberginenscheibe, dann fade Ravioli in Bouillon, dann wurden Teller mit gebratenem Poulet, Schweinefleisch, Würsten und Frites auf den Tisch gestellt, dazu kam ein Kellner in regelmässigen Abständen mit verschiedenen Teigwaren vorbei, die man offensichtlich dazu essen sollte. Getrunken habe ich wie meine Begleitung Caipirinha, was in Brasilien üblich ist.

Vor drei Tagen habe ich Manaus etwas überstürzt verlassen. Zurück aus Novo Airao, habe ich feststellt, dass immer noch keiner der Biologen, mit denen ich in den Urwald hätte gehen sollen, geantwortet hatte und ich wenig Lust hatte, da nochmals nachzufragen. Irgendwie zieht es mich ans Meer. Auch Lotte, die junge holländische Biologin hat es gezogen, sie hinterlässt mir eine Nachricht, sie sei nach Belem gefahren. Enzo, der Italiener, ist nun doch abgereist und nur Picasso Jobao, wartet immer noch auf seine Gerichtsverhandlung. Kurz entschlossen nehme ich das nächste Schiff nach Santarem.

Dort treffe ich auf drei Austauschstudenten, den Kanadier Vincent, die Deutsche Katharina und die Französin Emeline. Rio de Janeiro, wo sie Portugiesisch lernen, sei wunderbar, meinen sie, sie seien hier nur ein paar Tage unterwegs während der Osterferien. Die absolut schönsten Leute gäbe es in Rio, die Musik, die Strände. Sie wollen mir „ihre Stadt“ Ende Mai zeigen. - Auch Roseli, die Brasilianerin wollte das bereits, ich denke, ich muss nun doch rechtzeitig dorthin fahren, mit kundiger Führung ist das viel interessanter.
Das Schiff, das wir diesmal nehmen, ist klein, gänzlich überfüllt und schmutzig. Schade, für die drei ist das nun nicht das wundervolle Erlebnis, das ich auf dem Amazonas stets hatte. Auch regnet es auf der Fahrt praktisch ununterbrochen, teils so stark, dass alle Plachen herunter gelassen werden müssen und das Schiff noch viel enger wirkt. In der Nacht sind die Wellen so hoch, dass wir Seegang kriegen. Trotzdem schlafe ich gut in meiner Hängematte und stelle fest, dass dies wohl die Platz sparendste Methode ist, um Leute so dicht wie möglich schlafen zu lassen. Wie in einen Kokon eingehüllt hängt man in seiner Matte, einer etwas höher ein anderer etwas tiefer, manchmal eine Berührung, wenn sich jemand umdreht, doch die Körper weichen sich frei hängend immer wieder aus und finden ihren idealen Platz. - Das tönt wohl unglaubwürdig. Man muss es erlebt haben, es funktioniert.
Deshalb buche ich nun auch noch für das letzte Stück, Santarem – Belem, weitere zwei Tage Fahrt, einen Hängemattenplatz. Diesmal sogar im Unterdeck, denn dieses Schiff ist im Oberdeck verglast und hat eine Klimaanlage. Was für ein Unsinn! Wo das Schifffahren ja gerade deshalb so angenehm ist, weil der Fahrtwind immer genügend kühlt.

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