Samstag, 28. Mai 2011

Fortaleza, 20.Mai





Seit Stunden hänge ich im Flughafen von Fortaleza herum, jetzt in der Abfertigungshalle, wartend auf das Boarding, hinter den Scheiben die Silhouette der Stadt. Kleinmanhattan, die Hochhäuser sind wenigstens häufig mit Ambitionen gestaltet, schiessen aber hervor wie Pilze. Auch hier eine Gemeinsamkeit mit China. Der Mut - oder vielleicht auch die Verwegenheit - die enorm rasche Ausdehnung der Städte radikal anzugehen.

Keine Ahnung, wie sich hier die Touristen aus Jericoacoara - der grösste Teil der Insassen des Busses steigt in den Hochhausquartieren aus - wohl fühlen können. Mir mindestens haben die Fotos im Internet gereicht: Kein Ort für mich. Der Bus aus Jericoacoara - bis zur Hauptstrasse wieder ein offener Geländewagen, der sich durch die Wasserflächen pflügt, die sich nach den gestrigen starken Regenfällen gebildet haben – setzt die Gäste direkt vor den Hotels ab, weshalb ich in den Genuss einer kurzen Sightseeingtour komme. Mehr von Fortaleza brauche ich nicht. Hochhäuser am Strand, das meiste sind Hotels, dann die mehrspurige Strandstrasse, dann kleine Restaurants, Tische im Freien, dann der schmale Streifen Sand, auf dem Sonnenschirme aufgepflanzt sind. Im Hintergrund schwach das Hafengelände der Stadt. Und hinter den Hochhäusern die eigentliche Stadt, wo die Bewohner leben. Gefährlich und weniger luxuriös.
In Fortaleza bei Rotlicht anhalten. Das könne man vergessen. Mindestens in der Nacht und in gewissen Quartieren und mit einem anständigen Wagen. Viel zu gefährlich, dass man da plötzlich eine Knarre an der Schläfe habe, da müsste einer schon dumm sein, berichtet mir ein Gast aus dem Bündnerland, der Land in der Nähe der Stadt gekauft hat. Das sei halt hier so. Die seien sich gewohnt, dass die Autos in der Nacht bei Rotlicht durchführen.

17:30. Jetzt wäre ich ganz sicherlich auf der Sanddüne neben Jericoacoara, der Hausdüne quasi, und würde den Sonnenuntergang betrachten. Umgeben von einer fröhlichen und vielfältigen internationalen Schar von Gästen, die ebenfalls diesem täglichen Spektakel - jedes Mal ist es wieder anders - zuschauen. Und würde bei Erivando einen Caipirinha bestellen. Ein Korb mit Früchten, Verschiedenes wird für die Drinks verwendet, Alkoholflaschen natürlich, ein Metallbecher, in dem die Drinks geschüttelt werden, Eis selbstverständlich, einzig die Plastikbecher sind nicht ganz dem normalen Standart entsprechend. - Und hinter seiner Styroporkiste, die er täglich mühsam den Hang hinauf geschleppt hat, Erivando, der Barkeeper. Der jeden Abend seine Bar während der kurzen Zeit des Sonnenuntergangs öffnet. Erivando, die Torheit meiner Reise, bereits wegen ihm wird mir der Sonnenuntergang auf der Düne von Jeri in Erinnerung bleiben. - Ich frage mich gerade, weshalb ich jetzt im Flughafen von Fortaleza sitze. Doch das Ticket, das habe ich gekauft, bevor ich das erste Mal mit Erivando in der einbrechenden Dunkelheit verschwunden bin. Damals als ich sein Werben noch lachend abgewinkt habe, was du, du bist ja kaum mehr als halb so alt wie ich, was willst du denn von mir. – Doch irgendeinmal bin ich eben mitgegangen, denn der Brasilianer hat mir durchaus gefallen. Und wenn er sich schon bemühte..... Nun sitze ich in Fortaleza. Nicht überzeugt davon, dass mein Weiterziehen richtig war. Doch eine Zukunft gibt es nicht. Das weiss ich mittlerweile genau. Mindestens im Kopf oben. Keines meiner Experimente mit „Exoten“ ist geglückt.

Nach einer kurzen Nacht steige ich am Morgen früh in den Bus ein, der mich in eine andere Welt entführt. Durchgangsstationen. Heute Abend der Flug nach Natal, einer weiteren Küstenstadt, die ich nicht gesehen zu haben brauche, morgen dann der Flug auf die Tropeninsel Fernando de Noronha. Paradiesisch soll es dort sein, die besten Strände und Korallengründe Brasiliens. Doch mein Paradies, das werde ich mir im Kopf oben bewahren.

Auch die heutige Fahrt führt durch Buschland. Häufig Cashewnussplantagen und darunter Weideland. Knorrig stehen dieses grossen Bäume herum und erinnern mich etwas an Olivenhaine am Mittelemeer, doch ist alles grösser an ihnen, auch die Blätter, die im übrigen ebenfalls silbergrau glänzen. Eigentlich hätte ich hier Cashewnüsse einkaufen sollen als Souvenirs. Für all jene, die nicht sowieso mit Schmuck eingedeckt werden, das heisst alle weiblichen Personen. Männer dürfen sich freiwillig bei mir melden für Schmuckstücke. Aus Samen, Knochen oder Fischschuppen. Garantiert ökologisch abbaubar.

Die Landschaft Richtung Fortaleza ist seit den gestrigen heftigen Regenfällen wieder von Wasser durchtränkt. Der Schweizer Einwanderer Oskar konnte mir endlich weiter helfen bei meiner Frage warum. In diesem Sand. Wenn man hier grabe, dann stosse man in ungefähr 3m Tiefe immer auf eine Lehmschicht, die das Wasser staue. Und hier falle eben in der Regenzeit derartig viel Wasser, dass es bis an die Oberfläche reiche und dort Seen bilde. In den 6 trockenen Monaten hingegen dörre es extrem aus. Der kräftige Wind, den die Wind- und Kite-Surfer an dieser Küste so schätzen. Der die heissen Temperaturen durchaus erträglich macht, aber eben auch die Pflanzen leiden.

Jericoacoara hat mich vor zehn Tagen mit Regen empfangen. Angangs Mai, eigentlich bereits ab Belem, regnete es sehr häufig, täglich eigentlich und manchmal stürzten wahre Sintfluten vom Himmel herunter. Darauf aber – und seit meinem Geburtstag ganz stabil – Schönwetter und viel Wind, ein angenehmes Klima. Erst gestern, als ich mit einem Pferd in ein Dorf reiten wollte, in dem eine argentinische Hippiefrau mit ihrem Mann und ihren Kindern wohnt, da stürzte es plötzlich vom Himmel herunter. Tropfnass war ich innert kürzester Zeit, da kam es nicht mehr darauf an, dass mein junger Führer mit mir durch tiefste Gewässer ging, die Pferde mussten schwimmen und natürlich war auch ich klitschnass. Doch der Jugendliche hat sowieso meine Bedürfnisse nicht begriffen. Der 3-stündige Ausritt hat praktisch nur aus Galopp bestanden, obwohl ich ihm immer wieder gesagt habe, ich finde das etwas viel für die kleinen Pferdchen, meines jagte nicht mehr freudig durch die Dünen. Zuviel natürlich auch für mich, bereits seit Jahren bin ich nicht mehr geritten. Ein Wunder, dass ich das so gut überlebt habe. Nur etwas Rückenschmerzen. Doch Pedro war ein gutes Pferd. – Aber eigentlich gefällt es mir nicht, wie die Leute hier mit den Tieren umspringen, aufsteigen, im Galopp davon preschen, ein Ruck in die Zügel, das Pferd muss immer schön tänzeln. Viele Pferde haben Wunden, das Zaumzeug sitzt schlecht, Kämpfe offensichtlich auch, dem Pferd meines Führers fehlt ein Ohr. Auch viele Esel, die hier halb wild leben, haben nur ein Ohr. Cowboys sind es eben. Auch wenn mir der Junge erklärt, nein, die Kühe, die auch halbwild hier ihr Leben verbringen, die fange man nicht mit dem Lasso, die packe man vom Pferd aus am Schwanz und halte sie fest, so würden sie sich überschlagen und Helfer hätten Zeit, sei zu fesseln. Er selber habe auch schon ein paar Kühe zu Fall gebracht, meint er stolz. Und die Schule? Das mache er am Abend. Zwischen 6 und 10 Uhr.

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