Mittwoch, 11. Mai 2011

Barreirinhas, 7.Mai










Das Wasser der Erde sei am verschwinden, heisst es auf einem Schild der Poussada „Vitoria da Lopez“ in Barreirinhos. Neben vielen weiteren Geboten und Verboten, wie zum Beispiel, dass man pro Person nur Anrecht auf ein einzelnes Badetuch habe. Bettwäsche und Badetücher würden nur jeden zweiten Tag gewechselt, der Umwelt zuliebe, Oekotourismus heisst das hier, das Wort muss in Brasilien für vieles hinhalten.

An der Flusspromenade ist es am Abend der Regen, der mich verscheucht, momentan regnet es täglich mehrmals, letzte Nacht hat es gegossen, von wegen Wasser und am Verschwinden, das tönt hier etwas ironisch.

Am schönen, aber kurzen Quai entlang dem Fluss ist es am Samstag Abend sehr belebt, auch Touristen, die erkenne ich nun ebenfalls, obwohl die Mehrheit davon Brasilianer sind. Aus dem Süden, scheint mir. Ausser durch die Kleidung schlecht von Europäern zu unterscheiden. Mindestens bei den Frauen. Hauteng und offenherzig.

Eine Frau sitzt am Rande des Quais mit einer Fischrute. Etwas Aussergewöhnliches finde ich. Ganz selten sieht man Frauen fischen. Diese hier scheint es zum Spass zu machen, sie sieht nicht so aus, als würde sie sich noch rasch ein Nachtessen besorgen.
Ich warte unterdessen auf meine Mahlzeit im Lanchonete, der Imbissbude, ich habe am Mittag gut und sehr teuer gegessen, das muss reichen. Der Kellner sagt mir ein Wort, ich frage was, Fleisch, Fisch, oder was? Er meint, Rindfleisch, Poulet, Wurst. Alles gemischt, verstehe ich und sage, okay, das nehme ich. Mein Bier kommt rasch, doch das Essen nicht. Nach einer halben Stunde frage ich nach. Offensichtlich, war dem Kellner nicht klar, ob ich nun Huhn, Rind oder Wurst wollte. Aber in den Sinn gekommen nachzufragen was denn, das ist ihm nicht. Besser die Bestellung einfach vergessen.

Es tröpfelt bereits wieder leicht, als ich den Flussquai hinunter laufe, ein Weichspülersänger vor einem Touristenrestaurant und etwas weiter entfernt eine Gruppe Leute. Die Musik ist simpel, Rhythmus und Gesang und dazu ein tänzerischer Zweikampf. Ich nehme an, eine Capoeira-Schule zeigt hier ihr Können. Von kleinen Kindern bis zu jungen Männern, Frauen auch einige. Ich bin fasziniert. So schnell und präzise. Bei zwei jungen Männern wird es einen Moment fast ernst, immer schneller und aggressiver der Tanz oder der Kampf, das ist jetzt nicht mehr klar, gänzlich faszinierend diese Eleganz.
Im Publikum sehe ich die äusserst breithüftige sympathische Brasilianerin, die mit einem extrem schmächtigen Partner hier ist. Die beiden scheinen sehr verliebt zu sein. Sie waren gestern mit mir auf der Tour in die Sanddünen und ich habe sie bereits vorher im Bus bemerkt.
Auch das französische Ehepaar mit der halbwüchsigen blonden Tochter ist in Barreirinhas. Sie habe ich zum ersten Mal im französischen Hotel in Belem gekreuzt. Die Leute scheinen alle denselben Routen zu folgen. Wie Zugvögel. Wer zieht uns denn? - Vermutlich die Reiseführer und Tourismusorganisationen, die gewisse Orte anpreisen. Und andere eben nicht.

Gestern morgen früh bin ich aufgestanden, die Lotaçao, das Gemeinschaftstaxi komme mich um 7 Uhr abholen, meint die Besitzerin der Pension. Ich warte dann allerdings mehr als eine Stunde darauf. Regen die ganze Nacht, Regen immer noch am Morgen, wir fahren durch Sao Luis, die Vororte, durch Terrains Vagues, Gras und Gebüsch, zur rechten Seite zwei Eisenbahngleise in ungefähr 50m Distanz, irgendwo sehe ich Güterwagen stehen, die muss also noch in Betrieb sein. Mit Diesel, Fahrleitungen hat es keine. Auf der anderen Seite der Strasse begleiten uns mehrere Hochspannungsleitungen südwärts, eine Elektrizitätszentrale am Stadtrand speist sie. Im Minibus mit unbequemen Sitzen sieht der regnerische Tag noch viel trostloser aus. Die Scheiben sind mit dunkelgrauen Folien überzogen und lassen nur sehr wenig Tageslicht herein, eine Weltuntergangsstimmung, das eisgekühlte Auto lässt mich glauben, dass es draussen furchtbar kalt sein muss. – Das bestätigt sich allerdings nicht, bei unserem Zwischenhalt nach 2 Stunden, ist es schwül und viel heller als gedacht. Die Strasse begleitet nun eine Buschlandschaft, meist dicht und recht hoch, an die Ostseite von Sansibar erinnert mich das, wo der flachgründige Korallenboden Baumwachstum verhindert. Hier sind es weisse Sandböden, die unter den Büschen hervorblinken. Und sich hübsch von den vielen kaffeebraunen Wasserflächen abheben, in denen Binsen wachsen. Merkwürdigerweise scheint das Wasser im Sand nicht zu versickern. Der Boden ist bestimmt unfruchtbar. Kleinbauern, Maniokfelder, Vieh manchmal, doch sehr extensiv genutzt. Ein Schweizer Bauer würde über diese stark verbuschten Weiden weinen.

Dann Barreirinhas, ein Städtchen am Rande des Nationalparkes Lençois Maranhense. Bekannt wegen seiner Sanddünen, 70 km dem Meeresufer entlang und stellenweise 50km ins Landesinnere reichen sie. Das Besondere an diesen Dünen sind die klaren Lagunen, die sich dazwischen ausbreiten. Ich frage mich, wie das möglich ist in Sandböden. Das Wasser müsste doch versickern, im Reiseführer heisst es klares, vom Sand gefiltertes Wasser. Aber weshalb das bleibt, davon nichts. Unser Führer meint, der Boden sei eben während der Regenzeit derartig mit Wasser gesättigt, das könne gar nicht mehr verschwinden.
Dieses Naturwunder – ich kann mir das wirklich nicht erklären - gehen wir mit offnen Geländewagen erkunden. Die Fahrt dorthin führt über Sandpfade durch den Busch. Ausgefahren sind sie, äusserst holprig, und zwischendurch queren wir Wasser, das Geländefahrzeug pflügt sich durch die spiegelnden Flächen und steht manchmal gefährlich schief. Manchmal reicht das Wasser bis zu der offenen Ladefläche hinauf, auf der Sitzbänke montiert sind. Etwas Abenteuer gehört dazu. Das suchen die Touristen offensichtlich. Und der Führer fragt mich ganz besorgt, ob es mir gefallen habe, als ich meine, nein Danke. Ein Foto von mir in den Dünen, das brauche ich nicht. Die übrigen Exkursionsteilnehmer lassen sich gerne und häufig von ihm ablichten.

Im Ort Barreirinhas selber hat es am Flussrand – der windet sich in mehreren Schlaufen durch die Ortschaft, eine einzelne, verlorene, irgendwie deplazierte Düne. Die steht unter Schutz. Dass sie sich nicht abbaut, darüber staune ich - wahrscheinlich wird sie jede Nacht mit Baggern wieder aufgeschichtet. Wie sonst bliebe sie dauernd an ihrem Ort? Dünen wandern doch. Und den Sand, den findet man in allen Strassen des Ortes. Im Loonely Planet wird die Düne nicht erwähnt. Ebenso wenig wie der doch sehr hübsche hölzerne Quai entlang dem Fluss. Das gibt dem sonst unbedeutenden Ort - nur ein paar wenige Strassen sind geteert, der Rest im Moment eine Sumpflandschaft, die nicht zu ausgedehnten Spaziergängen lockt - doch einen speziellen Charme. Wochenendausflügler von Sao Luis scheinen hier häufig zu sein. Ich wohne in einer netten Poussada und finde erstmals, dass ich hier für mein Geld, ich bezahle weniger als 20 Franken, etwas Gutes kriege. Auch dies führt zu meinem Entschluss, eine Nacht länger zu bleiben.

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