Freitag, 27. Mai 2011

Jericoacoara, 18.Mai










In Jericoacoara kommt man nicht darum herum, an Tiere zu denken und folglich auch darüber zu schreiben. Den Strand und vor allem die Dünen teilt man mit Eseln, manchmal beweiden Pferde das karge Gras, auch Kühe, meistens vom Typ Wasserbüffel, kommen am Abend zum Strand hinunter. Das hat zur Folge, dass es dort an manchen Stellen recht penetrant riecht. Auch nach Fisch, denn die Fischer reinigen ihren Fang gleich in der Bucht und wenn danach die Ebbe kommt, dann liegen die Abfälle herum und verwesen in der Tropensonne rasch.

Die Eselbrigade trifft man des nachts auch in den Sandstrassen, besser Pisten der Ortschaft. Sie sind auf der Suche nach Abfällen und können recht unangenehm werden und werden von den Bewohnern aus der Ortschaft gejagt. Nicht gross verjagt werden die vielen Hunde und Katzen, die auch wie wilde Tiere wirken, obwohl recht viele Hunde ein Halsband tragen. Und häufig auch an den Strand kommen und mit den Leuten in den Wellen spielen. Oder Bällen nach rennen wie der Flan. Doch so gut wie der das konnte können sie es nie.

Am Morgen schleicht sich regelmässig ein kleines schwarzes Kätzchen mit einem weissen Brustflecken und weissen Pfotenspitzen unter meinen Frühstückstisch. Es schaut mit zu Schlitzen verengten grünen Augen zu mir hinauf. Wenn ich es nicht bemerken will, dann miaut es dünn mit hoher Stimme. Tue ich immer noch so, als sähe ich es nicht, dann steht es am Stuhl hoch und schlägt mir mit der Pfote leicht auf den Oberschenkel. Ohne Krallen. – Doch inzwischen ist das ganze längstens zu einem Ritual geworden, ich freue mich auf die kleine Begleitung. Erst gibt es Wassermelone. Die frisst es erstaunlicherweise sehr gerne. Es ist auch zu sagen, dass in dieser Pousada die Früchte alle ausgezeichnet sind. Selbst die Wassermelonen. Das will etwas heissen, wenn ich das sage. Anschliessend frisst das Kätzchen meinen Schinken oder Aufschnitt. Und ich habe etwas ein schlechtes Gewissen, denn der Steinplattenboden wird dabei fettig. Zum Glück bin ich nun, seit die Woche wieder begonnen hat, immer ganz alleine hier.

Diese Tierfreundlichkeit. Die Leute sind auch sehr geduldig mit Getier, das auf der Strasse herum liegt, Hunde und vor allem Esel kümmern sich nicht gross darum, wenn ein Auto auf sie zu fährt, selbst mit grossem Gehupe, sie sind sich also gewohnt, dass man bremst – doch Zeit, das haben die Menschen in Jeri sowieso noch.
Der Pösteler zum Beispiel. Der ist ganz alleine und die Ortschaft doch recht gross und alle scheinen ihre Ein- und Auszahlungen hier zu machen. Zumal es in der Ortschaft keine Bank gibt. Der Pösteler also, der nimmt es gelassen, dass die Leute stundenlang in seinem Lokal warten müssen und lässt sich nicht stören, wenn er gerade wieder einmal am Telefon ist. Die haben ja auch etwas zu tun, tauschen Neuigkeiten aus, etwas, das hier sehr beliebt ist und sowieso einen grossen Teil des Tages einnimmt. Halt zwischendurch auch auf der Post, dort ist es angenehm kühl. – Mir verlangt das recht viel Geduld ab. Zwei Stunden dort zu verbringen um schliesslich 7 Postkarten aufzugeben. Aufgegeben hätte fast ich.

Am morgen früh um drei Uhr zerreisst das Schreien der Hähne die sonst fast vollkommene Stille in meinem Quartier. Mindestens jetzt, in der Woche, praktisch ohne Gäste und damit auch ohne das Röhren von Klimaanlagen. Von fern das Rauschen der Wellen. Und an zwei Tagen die Woche auch die Musik einer Disco. An diesen Tagen beginnen die Hähne bereits um 2 Uhr nachts. Obwohl das Tageslicht erst um halb fünf Uhr kommt.

Ich mag Tiere und beobachte sie ebenso gerne wie Menschen. Ausgenommen die Kleinen. Mit dem Vieh soll es auch Ungeziefer im Sand haben, das sich durch die Fussohle hineinfrisst. Man merke das erst, wenn es im Fuss steche wie ein Dorn. Dann müsse man ins Spital gehen und das heraus schneiden. Was genau das für ein Tier ist, das habe ich nicht heraus finden können. Doch wollen das viele hier bereits gehabt haben. - Heikler sei hingegen das Landesgrenzentier, wenn ich das wörtlich übersetzte, das bohre sich auch unbemerkt durch die Haut und hinterlasse auf der Oberfläche Spuren wie die Grenzen auf den Karten. Da müsse man sofort reagieren, denn dieses Tierchen – auch hier keine Ahnung was das sein könnte – das bohre sich vor bis zum Herz. – Wegen all dieser hübschen Geschichten laufe ich zuerst nur mit Sandalen herum. Doch erstens kommt der Fuss auch so mit dem Sand in Kontakt und zweitens ist es einfach wunderschön barfuss im Sand herum zu laufen. Zumal hier der Sand eine angenehme Temperatur hat. Wohl wegen dem steten Wind und der Feuchtigkeit im Untergrund.

Gestern bin ich nach Jijoca gefahren, denn ich brauchte Bargeld und das ist hier nur zu ungünstigen Konditionen zu kriegen. Am Morgen nahm ich ein Gemeinschaftstaxi. Bereits nach rund einer viertel Stunde waren genügend Leute beisammen, man rief mir, es ging los. Der Chauffeur setzte mich in Jijoca dann gleich vor der Banco do Brasil ab, es klappte bestens und so hatte ich schon am Mittag alles erledigt. Und bin in Carla, die argentinische Schmuckverkäuferin hinein gelaufen. Sie meinte, ich solle doch den Paulo, den Italiener an der Lagune besuchen gehen. Dort sei es sehr schön. Mit einem weiteren Gemeinschaftstaxi bin ich also dorthin gefahren und wirklich, das Wasser in der Lagune ist sehr angenehm, die Farbe schöner als die des Meeres. Paulo hat seit 22 Jahren seine Pousada mit Restaurant an diesem Ort. Sie ist ein Tagesausflugsziel für Besucher von Jeri. Am Anfang, da hätte es in der Gegend vor allem Schweizer Hippies gehabt, so rund sechs hätten sich hier niedergelassen, er sei praktisch der einzige Italiener gewesen. Erst vor 5 Jahren, als der Ort langsam bekannter geworden sei, da sei eine wahre Einwanderungsflut aus Italien gekommen. Nicht gerade die besten Leute, das könne man nicht sagen. Drogen, Frauengeschichten, Filous, nicht unbedingt ein Umgang, den er pflege. Paulo ist mit einer Brasilianerin verheiratet, beide wohl aus gutem Haus, letztes Jahr 5 Monate in Indien und Nepal unterwegs, man reise gerne und wohnen könne er auch an verschieden Stellen in Italien oder Brasilien, man habe mehrere Häuser. Doch gefalle es ihm eben an der Lagune besonders gut. Das Leben hier, kein Stress. - Und irgendetwas müsse man ja machen im Leben, oder nicht?

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