Mittwoch, 16. März 2011

Yurimaguas, 12.März










Nicht dass man in Peru nichts auf den Umweltschutz geben würde. Die Umweltorganisationen scheinen sogar sehr aktiv zu sein, überall entlang der Strasse hängen Schilder, man solle den Urwald nicht zerstören. Insbesondere der Weg zu dem nicht wahnsinnig spektakulären, doch dafür in üppige Vegetation gekleideten Wasserfall, den ich in Tarapoto besucht habe, ist voller solcher Anschriften. Rettet den Planeten. In Spanisch und Englisch. Die Besucher sind zum grössten Teil peruanische Touristen. Vielleicht hinterlässt das doch Spuren?

Die Fahrt von Tarapoto nach Yurimaguas mache ich in einem Collectivo, einem Gemeinschaftstaxi. Der Fahrer kommt mich zwar mit seinem gut erhaltenen Personenwagen im Hotel abholen, das ist praktisch, doch nachdem er noch einen weiteren Mann in der Stadt einlädt, fährt er auf eine Art Sammelstelle, wo wir dann fast eine Stunde auf zwei weitere Fahrgäste warten. Ich unterhalte mich mit einem älteren Mitfahrer. Aus Deutschland und Schweden seien seine Vorfahren, der Grossvater sei nach Peru gekommen. Nein, die Sprache könne er nicht mehr und in Europa sei er noch nie gewesen, zu teuer. Unterwegs merke ich, dass er viel von Pflanzen versteht, denn er sammelt eine Schlingpflanze - gut für Hautverletzungen, meint er - während wir anhalten, weil ein anderer Fahrgast die rasante Fahrt durch die kurvenreiche Strasse nicht verträgt und sich erbricht. Einen weiteren Stopp aus demselben Grunde benutzen die Fahrgäste, um bei einer kleinen Hütte am Strassenrand frisches Brot einzukaufen. Besonders gutes, meint man und gibt mir auch davon.

Die Strasse nach Yurimaguas hinunter, es liegt noch 180m über Meer, ist extrem kurvenreich und wurde erst vor drei Jahren fertig gestellt. Vorher sei die Reise ein Abenteuer gewesen und habe gut 8 Stunden gedauert. Das erstaunt mich nicht, denn der Weg führt durch schroffe und mit dichter Vegetation überzogene malerische Berggipfel und damit erstmals durch etwas, was man einen natürlichen Regenwald nennen könnte. Die Strasse ist nur einspurig befahrbar, am Morgen früh und am Mittag von Tarapoto aus, dazwischen aus Richtung von Yurimaguas. Sie ist zwar asphaltiert, das Trasse ist gut gemacht, doch dass man die Berghänge darüber absichern müsste, wenn man in derartig steile Hänge eine Kerbe schneidet, daran hat man offensichtlich nicht gedacht. So gleiten die Hänge nach starken Regenfällen auf die Strasse hinunter. Mindestens an 30 Stellen sieht man noch Spuren davon. Ein Rutsch ist ganz frisch, die Lastwagen bleiben im morastigen Boden stecken, nun bin ich froh, einen kleinen Wagen und keinen Bus gewählt zu haben. Das erinnert mich an die vielen rasch in die Berge getriebenen Strassen in China. Dasselbe Problem. Nur schien man mir dort gegenüber der Vielzahl der neuen Strassen und damit Rutschen gänzlich machtlos, Männer mit Schaufeln standen an den schlimmsten Stellen herum, man half sich gegenseitig. Hier ist das anders. Schwere Strassenbaumaschinen und Bagger stehen an verschiedenen Stellen, die Strasse wird rasch wieder freigeschaufelt. Doch das ursächliche Problem, die Verbauung der rutschenden Hänge, wird wohl kaum angegangen. Deshalb nehme ich an, dass diese neue Strasse noch lange nur einspurig befahrbar sein wird. Bis dass sich die verletzten Berghänge alle entladen haben und beruhigt.
Später erreichen wir dann das Tiefland, allzu schnell, finde ich, denn jetzt sind die malerischen, häufig in Wolken gehüllten Bergsilhouetten bereits weg. Im Tiefland ist dann wieder nichts mehr von Regenwald. Auch kaum Kleinbauernbetriebe, vor allem Plantagen mit Ölpalmen und riesige Viehweiden säumen den Strassenrand. Trotz all den Schildern „rettet unseren Planeten“.

Schilder scheinen die Peruaner sowieso zu mögen, überall hängen Anschriften herum, auch dort, wo es eigentlich klar ist, steht ein Schild mit einem Pfeil „Salida“, Ausgang, auf der anderen Seite dafür eines mit einem umgekehrten Pfeil „Entrada“. „Peligro riesgo Electrico“ auch häufig (wobei das wiederum stimmt, wenn man die Arbeit der Elektriker betrachtet). Jeder Betonpfeiler ist angeschrieben mit einem Schild „sicherer Platz im Falle eines Erdbebens“. Obwohl das Amazonasbecken nicht mehr in der Erdbebenzone liegt. Auch Rauchverbote gibt es und merkwürdigerweise sind dies die Verbote, die am besten befolgt werden. Man geht zum Rauchen hinaus aus den Restaurants. Obwohl die gar keine Fenster haben. Während man sich beispielsweise überhaupt nicht um die Schilder kümmert, die das Hupen verbieten. Oder vorgeben, dass eine bestimmte Fahrspur für den öffentlichen Verkehr, oder für den Schwerverkehr bestimmt sei. Das kümmert die Leute wenig.

Erdbeben sind hier im Bewusstsein der Leute tief verankert. Nach dem Nachtessen laufe ich an einem offenen Tor vorbei, aus dem laute Musik dringt. Ich bleibe stehen und schaue. Sofort bittet mich eine Frau herein, ich merke, das ich den Raum einer Pfingstkirche betrete (Iglesia pentecostal del Espiritu Santo), weitere Besucher kommen mir die Hand schütteln, ich werde freundlich aufgenommen, es ist mir etwas unwohl, während eine Sängerin, eine gute übrigens, Halleluja und Allegria singt und ein Mann sie auf dem Harmonium begleitet. Toller Sound, mit riesigen Lautsprechern verstärkt, die Leute hüpfen herum und klatschen in die Hände. Ich mache mit, die Musik lädt zum tanzen ein, meine Nachbarin schafft es immer wieder, Leute von der Strasse herein zu holen, die neugierig stehen bleiben.
Nach einer guten Viertelstunde, ich bin schweissgebadet, hört die Musik auf, starker Regen hat unterdessen eingesetzt und hämmert auf das Wellblechdach, das Timing ist perfekt, die Leute gehen auf die Knie und strecken die Arme empor und empfangen den Segen. Ich und ein paar andere Neugierige von der Strasse machen nicht mit. Darauf die Predigt eines Pfarrers, der ein guter Entertainer zu sein scheint, häufig lachen die Leute oder klatschen, ich verstehe leider nicht alles. Er spricht die Besucher auch gerne direkt an, stellt Fragen, ein eindringlicher Blick, auch von mir will er wissen, woher ich komme und wie ich heisse.
Das heutige Thema der Predigt: Die Grenzen der Geduld Gottes. Der Pfarrer spricht von der Untreue der Ehepartner, unterlegt das mit Fernsehberichten von verwerflichen Fällen ehelicher Untreue und den schlimmen Folgen davon, Sodom und Gomorrah und Aids, eine Frau gibt ihrem Baby ungeniert in der Kirche die Brust, alle Anwesenden haben die erwähnten Sendungen gesehen und stimmen zu. Die Geduld Gottes ist zu Ende, meint der Prediger, ein paar Seitenhiebe an die Amerikaner, die Twin Towers, mächtige und gut gebaute Gebäude werden zusammenfallen, Jesaiah Vers 26, die Endzeit ist nah.

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