Samstag, 12. März 2011

Lima, 6.März




Mir fehlt ein Stadtplan von Lima, im Touristenbüro auf dem grossen Platz haben sie mir zwar einen Plan in die Hand gedrückt, doch der enthält einzig den Stadtteil Barranco, ich habe immer noch keine Übersicht, doch bin ich mir bewusst, dass ich hier in einer recht untypischen Ecke wohne. Ähnlich der Halbinsel im Norden von Daresalaam. Für Reiche und Touristen, mit sauberen Stränden und guten Hotels. Ich selber habe immer im Zentrum von Daresalaam gewohnt, dort wo es kaum Touristen gab. Wenn es finster wurde, konnte man nicht mehr hinaus gehen.

Hier also bin ich in einem bevorzugten Quartier, obwohl es keine Luxushotels hat, einzig Backpacker Hostals, der Massentourismus sucht sich wohl bessere Strände aus. Und ich gelte hier offensichtlich als arme Schluckerin, das wird mir bewusst, als ich gestern in ein mir nicht besonders exklusiv scheinendes Restaurant an der lärmigen Hauptstrasse nach Chorrillos essen gehe. Die Preise sind teurer als in Touristenrestaurants, die Gäste offensichtlich die Bewohner der Villen an den Stichstrassen zum Meer, die alle durch Gittertore abgeschlossen sind und bewacht werden. Man schützt sich. Die Strassen weiter gegen das Landesinnere sind nicht mehr abgeriegelt, dafür die Häuser von hohen Mauern umgeben auf denen nicht Stacheldraht, sondern Elektrodrähte befestigt sind. „Achtung Hochspannung“ steht angeschrieben, ein Risiko auch für Katzen, doch von denen sieht man nur wenige, eher Hunde, gepflegte, keine Horden von ausgemergelten Kötern. Wachhunde auch, gestern schaute ich zu, wie ein Schäferhund im Park auf Angriff trainiert wurde. Man muss sich offensichtlich schützen als Wohlhabender hier.
Ich verstehe nur nicht ganz, weshalb man mich immer sofort als Touristin erkennt. Weisshäutige hat es hier ebenfalls viele und derartig teuer angezogen sind die Reichen auch wieder nicht, eher leger. Scheint mir - doch was verstehe ich schon davon..... Die Kellnerin fragt mich sofort „eine halbe Portion“, ich bestelle wieder Cevice und dass ich nur Wasser dazu trinke scheint ihr normal, während die Leute rings herum Cevice gerade als Entree vor vielen weiteren Speisen wähle, sie fragt mich nicht, ob ich weiteres wolle, das scheint klar.
Die Leute hier trinken übrigens selten Wein, manchmal Bier, aber häufig knallbunt eingefärbte Süssgetränke, so dass sich ausser Cola für mich nichts anbietet. Und etwas, das Chicha heisst. Der Wirt schenkt mir gratis ein Glas davon ein als ich frage, was das denn sei. Es hat die Farbe von Rotwein und schäumt leicht und ist ohne Alkohol und süss, aber erträglich, das muss ich mir merken.

Heute ist Sonntag. Büros und ein Teil der Restaurants und Bars sind geschlossen. Im Zentrum von Lima, rings um die Praça Major sind aber die Läden geöffnet, endlich mache ich einen Ausflug dorthin. Die nette Frau am Empfang, die recht gut Englisch spricht, meint, ich solle den Metropolitano nehmen und erklärt mir, wo die Station ist. Der Metropolitano ist nun nicht wie man denken könnte ein Zug, sondern ein Gelenkbus und fahren tut er auch nicht unterirdisch, sondern in der Schneise, die auch für die 6-spurige Stadtautobahn geschlagen worden ist. Zwischen den Spuren und davon abgetrennt fährt also dieser Bus und kommt so nicht in Staus. Die Stationen sind futuristisch, wie in modernsten Metros, Glaswände und Türen, die sich erst öffnen, wenn der Bus angekommen ist. Genial, meint meine Sitznachbarin, jetzt komme man in 25 Minuten ins Zentrum. Und ja, gefährlich sei es dort auch, überall sei es gefährlich hier, man müsse aufpassen. Und hilft mir, an der richtigen Station auszusteigen, denn einen Plan habe ich ja nicht, nicht einmal eine Ahnung, wie das Zentrum heisst. Praça Major und Praça das armas, weiss ich inzwischen. Und beides stimmt auffällig. Die Plätze und Avenidas sind gross, noch viele herrschaftliche buntfarbige Kolonialbauten, und Waffen hat es hier auch auffällig viele. Eine Unmenge von Polizisten, alle bewaffnet mit Maschinengewehren, Panzerwagen mit Wasserwerfern stehen herum, Polizisten mit Schutzschirmen ebenfalls. Da fühle ich mich unwohl. Ist das wegen der bevorstehenden Wahlen? Oder hat man hier Angst, es könnte ebenso gehen wie in der arabischen Welt, die Zeit der diktatorischen Regimes sei nun vorüber? Mein Besuch im Zentrum wird ein kurzer, es ist hier auch viel schwüler als in meinem meeresnah gelegenen Quartier, ich gehe in eine schöne alte Bodega, für Touristen natürlich, und stelle fest, dass der grösste Teil dieser Touristen spanisch spricht und mir deshalb erst gar nicht auffällt. Eigentlich ist klar, dass es in Südamerika viele südamerikanische Touristen hat. Trotzdem bin ich ebenso erstaunt wie in China, dass Europäer und Amerikaner eine Minderheit sind. Das hat eben geändert seit meinen ersten Reisen. Ausser in Afrika, wo man den Tourismus noch immer nicht versteht, reisen die Leute nun überall auf der Welt ferienhalber herum - sobald sie sich das leisten können.
Ich schaue mir noch ein Museum an, ein bekannter moderner peruanischer Bildhauer und ein Maler werden gezeigt. Konkret, expressiv, doch meinen Geschmack trifft es nicht. Dafür geniesse ich es, in eine alte Villa aus der Kolonialzeit zu kommen. Damals hat man noch gewusst wie bauen in heissen Ländern. Die Gebäude sind gut durchlüftet, Innenhöfe und Dachluken bringen ein Maximum an Wind ins Innere ganz ohne Ventilatoren.

Pisco sauer ist keine schlechte Variante für einen verwirrten Magen. Irgend ein Schnaps, Zuckerrohr?, plus Limettensaft und Eis. Ich habe das Gefühl, dass dies den meinigen, der ob dem kolonialen Sandwich am Mittag in der historischen Bodega - Schinken und Käse für eine Familie und stinken tut das ganze auch noch nach Schweissfüssen, ich nehme an der Käse – nicht so recht zufrieden ist. Allerdings wird er beim Nachtessen von dem Salat und der Vorspeise, Papas, dem Preis nach kann das nicht viel sein, denke ich, erneut k.o. geschlagen. - Das erinnert mich an meinen Sprachaufenthalt in Barcelona, vor rund 35 Jahren. Ich habe es in Spanien nie geschafft, meinen Teller fertig zu essen.

Heute ist Karneval im Barranco, viel Verkehr, Verkehrspolizisten, auch Frauen, die mit energischem Winken die Fahrer antreiben und nur ab und zu an die Fussgänger denken. Musik hat es nur ganz kurz am Nachmittag, Karneval scheint hier zu bedeuten, dass die jungen Leute spärlich bekleidet dafür reichlich mit Farben eingeschmiert, alles wild durcheinander, man sieht da kein Konzept, in den Strassen herumstehen und gehen, essen und trinken. Der Spuk dauert nicht lange, bereits ca. um 9 Uhr abends entvölkert sich das Quartier.



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