Mittwoch, 30. März 2011

unterwegs, den 18.März






Im Morgengrauen landet unsere Lancha in Nauta, dem ersten grösseren Ort nach Iquitos. Ein Aufschrei in der Menschenmenge, die am Strand wartet, auch ich sehe das voraus, unser Schiff hat zu früh abgedreht, die Strömung des Flusses treibt es in die übrigen kleineren Boote hinein, ein Knall, die drei nächsten werden ineinander geschoben, das kleinste und schäbigste nimmt dabei Schaden. Obwohl flussaufwärts kaum Waren eingeladen werden – transportiert wird, was in Yurimaguas nicht produziert wird, diesmal eine ganze Ladung dieser fürchterlich laut knatternden Mototaxis - dauert unser Aufenthalt in dem Hafen diesmal länger. Verhandlungen, wie gross der Schaden sei, der Kapitän wird zur Rechenschaft gezogen.

Am Nachmittag gehe ich ihn in seinem Hochsitz besuchen. Er bietet mir einen Sitz an. Drei Kapitäne seien sie, Wechsel alle 4 Stunden. Und nein, ein Unfall sei das nicht gewesen in Nauta, ein kleiner Zwischenfall. - Ich rechne mir später aus, dass er zu dieser Zeit am Steuer gewesen sein muss und muss zugeben, dass seine Aufgabe schwierig war. Zwischen eng geparkten Booten, mit der Strömung genau richtig zu landen, das ist nicht einfach. Im Kapitänshaus hat es nur das riesige Steuerrad, dessen Bedienung offensichtlich viel Kraft erfordert, da werden häufig auch die Beine zu Hilfe genommen, und zwei Hebel, je einer für jeden Motor. Nach vorne: vorwärts, nach oben: Stillstand, nach hinten: rückwärts. Andere Instrumente gibt es nicht. Keine Karten, kein Funk, gerade ein Natel liegt herum, das wohl dazu dient, die Zeit abzulesen, denn Empfang hat man hier nur ab und zu.

In der Mitte sei der Fluss etwa 20m tief. Sein Schiff brauche mindestens 10m tiefes Wasser. Was mich etwas erstaunt, denn die Boote fahren immer sehr nahe dem Ufer entlang, nie in der Mitte. Flussabwärts nutzen sie die Strömung, flussaufwärts wird diese gemieden. Wird an Land angelegt, so drücken die Schiffsmotoren das Boot während der ganzen Aufenthaltsdauer gegen die Böschung, denn richtige Anlegestellen gibt es keine, jede ca. 2m hohe Böschung kann als Landeplatz dienen. Solche Orte liegen immer in den Aussenseiten der Flusswindungen, wo das Wasser tief ist und rasch fliesst.

Walter, Gehilfe und Koch unserer Expedition, erklärt mir, dass die Boote Richtung Pucallpa immer von einem Sicherheitsdienst begleitet würden, zu viele Überfälle habe es da schon gegeben. Richtung Yurimaguas aber noch nie, da müsse das normale Bootspersonal schauen, das sei auch bewaffnet. Auch Walter ist der Meinung, dass der Urwald dort, wo die Berge ins Tiefland übergehen am artenreichsten und interessantesten sei. Nur könne man da nicht hingehen, wegen der Terrororganisationen. Deshalb werde für diese Reservate kaum Werbung gemacht. Und nein, Pirranhas, die lebten nicht mitten im Fluss, sondern immer in Nebenarmen und langsam fliessenden Gewässern, das, was mir der Herr aus Lima erzählte hat, ist also Unsinn.

Am Morgen gibt es auf den Lanchas immer gummige Brötchen und ein heisses Gebräu. Kaffee noch nie. Heute ist es eine Schokolade mit Gewürzen. Das tut gut nach der kalten Nacht. Politische Diskussionen zum Frühstück, bald Wahlen, alle sind korrupt, wollen nur sich selber bereichern, das scheint hier ein gemeinsamer Konsens zu sein. Die vielen Kontrollen, die Bürokratie im Lande, alles sei nur zur Bereicherung dieser Leute gedacht. Auch der illegale Handel mit geschützten Tieren und Hölzern und Kokain sei deshalb gängig. Wenn man erwischt werde, dann müsse man eben die richtigen Leute schmieren, dann sei das kein Problem.

Die Passagiere vertreiben sich die Zeit mit reden, dösen und lausen. Letzteres scheint eine sehr beliebte Tätigkeit zu sein. Immer wieder sehe ich Frauen, die einander - oder ihren Kindern - die Haare durchsuchen. Was mit den entdeckten Läusen passiert, das habe ich nicht beobachtet. Auf dem Oberdeck spaziert ein Mann mit einem winzigen Äffchen herum, dessen Fell mir einen grünlichen Schimmer zu haben scheint. Eine Waise, beteuert er, die Mutter sei verspiesen worden.
Am Nachmittag halten wir in einem Dorf. Eisbarren, die unter Reisspelzen und Plastikplanen verborgen waren, werden ausgeladen. So soll das Eis selbst bei den tropischen Temperaturen - tagsüber wird es immer brennend heiss - 8 Tage halten. An Land wird das Eis dann zerkleinert und mit der Fischladung vermischt die dort wartet. Danach wird alles wieder eingepackt, mit Reisspelzen und Plastik umhüllt und aufs Schiff gebracht. Das dauert seine Zeit, alles ist Handarbeit, acht kräftige Männer zerren an den schweren Kisten und rücken sie über Holzbretter wieder an Bord.

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