Sonntag, 6. März 2011


3. März 2011

Der Start in Genf war eindrücklich. Das Flugzeug wurde mit einer orangen schäumenden Flüssigkeit eingesprüht, ein Entfrostungsmittel schient es, das habe ich vorher noch nie beobachtet. Beim Abflug - der ist rasch und steil, obwohl das Flugzeug voll ist - fliegt dieser Schaum weg, mein Nachbar schläft, scheint nichts von der Beschleunigung zu spüren, oder tut er nur so, weil er Angst hat?
Erst fliegen wir Richtung Osten über den See. Dunstigtrüb die Sicht, die Wellen, die alle von Osten gegen Westen fliessen zeigen mir, dass die Biese noch anhält. Wie eine sich runzelnde Flüssigkeit sieht das aus, an den Seeufern gebremst, die Wellenlinien bilden einen Bogen, der in der Seemitte vorwärts strebt. Doch bereits rasch durchbricht das Flugzeug die Wolkenschicht, Sonne blendet mir ins Gesicht, wir fliegen nun über dem Weiss, eine Drehung gegen Norden, der zähe Wolkenschaum wird hier vom Jura aufgehalten. Wie ein Staubecken wirkt das Mittelland, der Schaum übertritt den Gebirgsrand auch dort nicht, wo keine Bergspitzen emporragen. Nordwärts dann abfallende Juraketten, Schnee auf den Höhen, die Täler sind aper, einmal ein Nebelband über einem vermuteten Tal, ein Becken gefüllt mit undurchdringlichem Grau, die Topografie der Gegend lässt sich erahnen, dann schieben sich erneut Wolken unter das Flugzeug.

Später schauen daraus nochmals kantige Bergspitzen hervor, Schnee, keine Siedlungen, keine Skilifte, eine einzige Strasse sehe ich, das müssen die Pyrenäen sein. Wunderschön glänzend in der Sonne. Westwärts fällt das Gebirge dann ab, der Schnee schwindet langsam, dunkel bewaltete Bergrücken, später ockerbraune Flächen, ein paar Siedlungen und erneut Wolken.

Wi-Fi-Area lese ich im Flughafen von Madrid. Und nehme sofort mein Labtop hervor. Die Sache startet langsam, und schliesslich bemerke ich, dass sie 5 Euros pro halbe Stunde kostet. Wir sind hier nicht in China, wo solches gratis ist, ich lasse es bleiben. Auch gestern Abend habe ich die versprochenen mails nicht mehr losgeschickt. Zu müde. Die kommen dann halt von Lima.

Der Flughafen von Madrid ist sehr schön, ein modernes Gebäude mit gewelltem Dach, jedoch engere Wellen als bei Renzo Pianos Museumsbau, das gleicht sich überhaupt nicht. Der Flughafen ist riesig, ich habe eine halbe Stunde von einem Gate zum anderen, doch laufen ist gut bei diesen langen Flügen, ich benutze die Rollbänder nicht. Eine Metro fährt zwischen den verschiedenen Gebäudeteilen, einzig der Flugverkehr scheint mir hier nicht gigantisch. Wenige Flugzeuge landen und starten, fast nur IBERIA. Die Spanier verstehe ich noch erstaunlich gut, bin aber erstaunt über ihre Unfreundlichkeit. Nicht dass sie mühsam wären, das könnte ich nicht sagen, aber nicht einmal die Stewardessen können sich ein Lächeln abringen. Und die Flughafenangestellten wirken abweisend. Ist das Leben hier derartig hart?

Vor der Landung übrigens noch ein sehr schönes optisches Phänomen. Schade, dass ich die Videokamera nicht im Handgepäck habe, denn so etwas habe ich noch nie gesehen. Auf der hellen Wolkenschicht bewegte sich ein kreisförmiger Regenbogen über die Wolken, innen gelb und gegen aussen dunkel, grün und blau. In der Mitte eine Art Rechteck, ich vermute, dass es der Schatten des Flugzeuges ist, denn der Kreis verfolgt uns. Das bewahrheitet sich. Als wir tiefer fliegen, nimmt das Rechteck Konturen an, bekommt Flügel, wird schliesslich vor dem Eintauchen in die weisse Watte riesig, die Konturen verfliessen. Witzig dieser Moment, Wolkentürme ragen hoch, der Flugzeugschatten mit seinem Heiligenschein wird riesig, danach wieder winzig, dort wo die Wolken tiefer liegen. Woher kommt wohl dieser kreisförmige Regenbogen? Ein optischer Effekt des Fensters? - Unterhalb der Wolkenschicht dann kleinflächige Felder, rote Erde meist, manchmal auch lehmfarbenhell, die Farben mischen sich mit weichen Rändern, Flecken, Flussläufe, es scheint nichts mit der Topografie zu tun zu haben sondern mit der Qualität der Böden. Häufig sind die Flächen von regelmässigen dunklen Tupfern übersäht, Olivenhaine, nehme ich an.

Vier einsame Hochhäuser ragen dicht beisammen hinter dem Flughafengebäude von Madrid in den grauen Himmel auf, in dieser Richtung muss Madrid liegen, der Flug führte nur über Industriegebiete, vom Zentrum habe ich nichts gesehen. Vier einsame Hochhäuser am weiten Horizont. Auch darin unterscheidet sich Spanien von China, wo sich die Hochhäuser zu Igelpelzen vereinen, so weit das Auge reicht.

Immer noch der 3. März, ein unheimlich langer Tag, 22:53 Ortszeit. Häufiges Hupen dringt bis zu meinem Zimmer im 5. Stock hinauf, die Stadt wird man auch in luftiger Höhe nicht los, die Leute sind laut hier in Lima. Nur leider auch meist ziemlich besoffen um diese Zeit. Auch ich bin nach der ersten grossen Flasche Bier - 630ml enthält sie - angesäuselt.
Der Lärm von Lima hat mich bei meiner Ankunft gestresst. Ruhe wollte ich. Nach einer 20-stündigen Reise endlich ankommen. Doch das ist ein Traum hier. Bereits die schwindelerregende Höhe des sehr schmalen Hotelgebäudes stresst mich. Wie könnte ich da fliehen bei Feuer? Oder Erdbeben, die Westküste Amerikas scheint ja eine Gefahrenzone zu sein, kürzlich in Chile, weshalb nicht nächstens etwas weiter nördlich? Das macht mir Angst heute bei meiner Ankunft. Auch der kurze Spaziergang im Quartier. Eine Ausgehmeile offensichtlich, die Männer quatschen mich alle an.- Alleine hier? Ich sage ja, denn mit meinen bald 55 Jahren schient mir da keine Gefahr mehr zu bestehen, doch bei diesem Machogehabe bin ich nicht einmal so sicher. Obwohl die zwei besoffenen Typen, die mich später an ihren Tisch einladen, mich dann doch widerstandslos ziehen lassen, als ich sage, ich sei müde und wolle gehen. Einer davon meint stolz, er sei ein Banker. Habe viel Geld, zeigt mir immer wieder seine Noten, will bezahlen, doch ich lehne freundlich aber standhaft ab. Bin wohl sowieso bereits zu weit gegangen für den ersten Abend auf einem neuen Kontinent.

In den Strassen stinkt es nach Urin. Ich werde mich daran gewöhnen müssen. Und nach dem ersten Schock über das Hotel, muss ich doch sagen, eine gute Wahl. Ich begegne wenigen ausländischen Touristen hier, in dem Sinne also gewiss authentisch. Wenn auch völlig ohne Charme die Zimmer, verfleckte Spannteppiche, doch immerhin, der Ausblick vom Fenster gefällt. Und der erst verschlossen wirkende Rezeptionist empfängt mich auch bereits freundlich. Diese Indiotypen schauen immer erst einmal düster drein, das verwirrt mich. Wahrscheinlich muss man ihnen Zeit geben.

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