Montag, 25. April 2011

Manaus, 14.April





Heute regnet es bereits in der Morgendämmerung, teils heftiger Regen. Gegen Mittag hört er auf, doch bleibt die Luft derartig feucht, dass auch ich dauernd feucht bin, das ist kein Schwitzen, eher etwas wie Kondenswasser, und beunruhigt mich wegen meiner Erkältung. - Dafür friert es mich dann am Abend um 9 Uhr draussen auf einem Platz trotzdem schon wieder, der Temperaturunterschied zwischen Tag und Nacht ist hier gewaltig.

Ganz einfach sei es, in den „Bosque das Sciencias“ zu gehen, der Bus halte an der Avenida gleich um die Ecke. Der Mann an der Reception gibt mir 4 Busnummern an, alle von diesen könne ich nehmen. Busse kommen dann effektiv auch viele und viele Leute warten auf dem Trottoir auf Busse, immer wieder neue Nummern, so viele verschiedene Linien, das ist ja Wahnsinn, doch die Nummern auf meinem Zettel, die kommen nie. Ich beginne die Leute rings um mich zu fragen, alle geben mir neue Ratschläge, die Sache wird immer unübersichtlicher, und steigen dann in ihren Bus ein, wenn er kommt, perdao, sorry, ich müsse weiter schauen. Endlich dann ein kleiner Bus, bei dem der Chauffeur nickt, ja, das sei gut, dort komme er vorbei. Wir fahren dann im Zickzack durch kleinste Strässchen, hinauf und hinunter, die Stadt hat ja wahnsinnig viele Hügel, meist extreme Steigungen und wieder hinunter und um die nächste Kurve. Ab und zu hält er an, nicht oft, Halt auf Verlangen. Das ganze scheint mir eher wie eine Anhäufung von Dörfern, kleine Häuser, Grün auch immer wieder dazwischen, erst jetzt werde ich mir der Ausmasse dieser Stadt bewusst, denn die Forschungsanstalt ist ja „nur“ 5 km vom Zentrum entfernt, das Stadtgebiet geht dann noch viel weiter. Eigentlich eine tolle Sightseeingtour, zu der ich da komme, nur leider werde ich nervös, ich habe mit dem amerikanischen Forscher abgemacht, mit dem ich schon lange Mailkontakt habe. Ich komme dann doch noch 10 Minuten vor ihm an. Brasilien, ich werde verstehen. Ja, natürlich.
Der Mann ist in Manaus verheiratet, wohl auch so ein Hängengebliebener, ich frage ihn nicht, bereits seit Jahren dort ansässig. Ein Ornithologe, er zeigt mir seine Sammlung. Tote Vögel meint er sarkastisch, gehäutet, das erstaunt mich. Federn blieben wie Haare an der Haut hängen erklärt er. Und anschliessend mit Watte ausgestopft, die man dort, wo eigentlich die Augen sein sollten, weiss hervorquellen sieht. Der Mageninhalt werde in Alkohol aufbewahrt, nein, im Moment nicht erforscht, aber man wisse ja nie, vielleicht einmal nützlich, die gehäuteten Vögel als ganzes werden ebenfalls in Alkohol aufbewahrt und eine Gewebeprobe für genetische Untersuchungen eingefroren. So vieles sei noch nicht erforscht im Amazonas. Er entschuldigt sich, klassische Zoologie. Eigentlich sei sein Gebiet die Ökologie, die Verbreitungsgebiete der einzelnen Arten.
Er erklärt mir alle Möglichkeiten, an die er gedacht habe. Mit einer Adlerforscherin könne ich ins Feld, auch mit einer Frau, die die rosaroten Delphine markiert oder – gegen Entgeld – mit einer Gruppe von Forschern, die die Ökologie von unterschiedlich grossen Urwaldflecken untersucht, ursprünglich ein Projekt des WWF. Spannend tönt das alles. Am Sonntag könne ich mit ihm und einem Fotografen auf den Ausguck in den Bäumen kommen, dort wo er gerne ein Baumpanorama von mir hätte, morgens um halb fünf solle ich im Busbahnhof warten, sie würden mich dort abholen. Diese Ornithologen! Wie gelange ich nur zu dieser Zeit dort hinaus? Item, ein tolles Angebot natürlich, Danke.

Auch will er mich verschiedenen Leuten vorstellen, die an meinen Zeichnungen interessiert sein könnten, ich erwähne vorsorglich, dass ich mit Tieren weniger Erfahrung habe, vor allem Pflanzen gezeichnet, bin ich doch gar nicht so sicher, ob ich das noch kann. Und auch will. In den letzten Tagen war das Skizzieren frustrierend, nichts wollte gelingen, mein Selbstvertrauen ist angeknackt. Deshalb bin ich auch gar nicht begeistert, als er vorschlägt, mich einem Reiseveranstalter vorzustellen. Vielleicht könne ich ja mit Touristen hinausgehen und einfach zeichnen, das könnte die Leute interessieren, das Publikum sei häufig sehr engagiert. Nur hasse ich leider Zuschauer, aber das sage ich ihm nicht, manche Leute versprechen ja auch viel mehr, als sie dann tatsächlich halten. Nächsten Donnerstag fährt er für 3 Wochen nach Amerika, Donnerstag und Freitag seien übrigens Feiertage, ich vermute Ostern, er weiss es auch nicht.
Den Bosque das Sciencias, das Stück Urwald, das im Stadtgebiet noch erhalten ist und zum Forschungszentrum gehört, gehe ich anschliessend besuchen. Ich sehe Seekühe in Becken, die mir doch recht kahl erscheinen, schwarze und gelbe Krokodile endlich von ganz nahe, ihre merkwürdig starren Augen, und eine riesige Menge von Schildkröten und frechen kleinen Äffchen, die sich frei im Park bewegen. Leider ist nur ein winziger Teil des Waldstückes zugänglich und für das Publikum erschlossen.

Mit der Sekretärin vom WWF-Projekt fahre ich schliesslich zurück in die Stadt, ich solle morgen wieder kommen, da sei ihr Chef da, die Verständigung geht irgendwie, Forscher in Brasilien sprechen wenig Englisch. Dann eher noch Leute, die mit Touristen zu tun haben. Zurück nehmen wir einen grossen Bus. Der fährt zwar auf grösseren Strassen, macht dafür aber noch einen grösseren Bogen bis zum Ziel, die Stadt scheint mir nun riesig, allerdings ist jetzt auch Stossverkehr und wir bleiben überall stecken.

Später am Abend gehe ich hinauf zum Platz bei der Oper, dort hat es am meisten Restaurants, auch solche mit Tischen draussen. Die sehen nicht teuer aus, doch sind es. Ich bestelle gemischte Aperitifhäppchen und bekomme nach langer Zeit einen Teller mit Frites, gebratenen fetten Wurstscheiben und Käsewürfeln. Ich habe mir das etwas anders vorgestellt. 5 Damen mit langer und glitzernder schulterfreier Abendrobe - daneben ist ja gerade die berühmte Oper - setzen sich auch an einen Tisch.

Im Hotel flüchte ich mich dann auf die Dachterrasse, im unteren Hof ist ein Biergelage im Gange, da kann ich nicht mehr aufholen. Hier oben hat ein Brasilianer in meinem Alter seine Hängematte aufgehängt. Unten in einem Schlafsaal, das gehe nicht, meint er, und zündet sich einen Joint an.

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