Dienstag, 12. April 2011

Leticia, den 6.April







Seit gestern Abend bin ich im kolumbianischen Leticia. Eine erstaunlich grüne und gepflegte kleine Stadt und auch viel ruhiger als Iquitos, weshalb ich beschliesse, nicht bereits heute weiter zu fahren, sondern die Fähre nach Manaus erst am Freitag zu nehmen.

Die Überfahrt gestern mit einem Rapido, einem Schnellboot, war lang, doch erträglich, nach den Beschreibungen meiner Informanten habe ich Schlimmeres erwartet. Um halb sechs Uhr früh hätte man im Hafen sein sollen, um sechs war Abfahrt. Doch bereits als ich pünktlich eine halbe Stunde vorher eintreffe ist das etwa 50-plätzige Schiff praktisch voll. Bei solchen Sachen spassen die Leute hier nicht. Auch in den Lanchas muss man immer viel zu früh kommen. Die Leute warten dann stundenlang geduldig bis das Schiff abfährt. Und wir Touristen kommen als letzte und müssen folglich mit den Plätzen vorlieb nehmen, die noch übrig sind. Schlecht treffe ich es nicht, der Herr neben mir sagt guten Morgen und nimmt seine Zeitungen hervor und liest. Kontakte ergeben sich weniger einfach, wenn man gezwungen ist, allzu dicht aufeinander zu hausen. In den Lanchas ist das unverfänglicher. Man spaziert herum, fängt mit jemandem an zu sprechen und verabschiedet sich dann auch einmal wieder und geht weiter.

Die Abfahrt des Rapidos verzögert sich, ein Schwarzer wird aufgerufen, seine Gruppe, da seien drei Personen zuviel. Nach langem Palaver werden drei Personen auf ein kleineres Boot umgeladen. Unser Schiff steuert darauf die Hafenbehörde an, das Kontrollamt, ohne das hier kein grösseres Schiff den Hafen verlässt. Kurz nach der Passage dieses Postens stösst das Boot mit den drei Personen wieder zu uns. Darauf sitzen sie zu dritt auf zwei Sitzen. Der Rapido ist damit bestimmt überladen, doch - nehme ich an - dass es bei 50 Personen plus Waren auf drei Personen mehr oder weniger nicht ankommt.
Die ganze Nacht über hat es in Iquitos sehr stark geregnet, solch intensive Schauer waren in Sansibar im allgemeinen nur von kurzer Dauer. Auch den ganzen Tag über regnet es immer wieder, Wind, der Amazonas ist unruhiger, als ich mir das gewohnt bin. Irgendeinmal kurz vor der Grenze - denke ich - doch es geht dann noch zwei Stunden weiter, fängt mein Nachbar an, mit mir zu reden. Haitianisch sprächen die rund 10 jungen Schwarzen - auch zwei Frauen sind dabei - erkundigt er sich. Ich könne das nicht sagen, ab und zu ein französisch klingendes Wort, Kreolisch vielleicht? Für mich klinge das eher wie eine afrikanische Sprache. Kein Gerücht diesmal, sie seinen von den amerikanischen Drogenbehörden. Merkwürdig finde ich diese Gruppen von gut gekleideten und offensichtlich mit genügend Geld versehenen jungen Schwarzen trotzdem, sie benutzen nie die billigen Fahrgelegenheiten. Ich habe mir die Armut in Haiti ganz anders vorgestellt. Eher wie damals auf einem Flug der Swiss von Daressalam nach Zürich. Damals wurde eine Gruppe somalischer Flüchtlinge, die für Amerika bestimmt waren, mitgenommen. Die sahen erbärmlich und deprimiert aus.

Mein Nachbar ist nun wirklich zum Sprechen aufgelegt. Politik, die Wahlen, deshalb fährt er in seine Heimatgemeinde an der Grenze, Gott und die Welt. Und Gott, da kann er nicht mehr aufhören. Ob ich gläubig sei? - Das Ende sei nah. Er zeigt mir eine Stelle in der Bibel, das Buch hat er in seinem Gepäck, alle Anzeichen seien vorhanden. Das habe ich doch bereits einmal gehört. Offensichtlich schienen hier die Prediger das Ende der Welt vorher zu sagen. Da sei es entscheidend, wo man stehe, meint mein Nachbar.

Ich fühle mich heute erstmals auf dieser Reise nicht gerade gut. Rückenschmerzen, Halsweh, allgemein zerschlagen. Das könnte der Fahrtwind auf der gestrigen Fahrt gewesen sein und die nicht auf meine Anatomie angepassten Sitze. Doch natürlich denkt man hier auch immer gleich an anderes.

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