Mittwoch, 8. Juni 2011

Rio, 31.Mai







Auf dem einen Fernseher läuft Fussball, auf dem anderen erst eine politische Sendung, News sind es nicht, das wäre viel blutiger, später dort ein Spielfilm. Ich sitze ungefähr in der Mitte zwischen den Geräten, der Ton von beiden, auf das Bild achte ich nicht. Der Kellner bringt mir den bestellten Caipirinha, ein grosses Glas, bereits der erste Schluck jagt mir einen Nebel ins Gehirn. Die Sorte von Caipirinhas mit schlechtem Geschmack, weil aus Fusel gemixt, doch extrem hochprozentig und mit viel Zucker. Das Essen, eine grosse Scheibe gebratene Rindsleber plus Frites, auf den Reis verzichte ich, kommt zum Glück rasch, Essen dämpft etwas ab, doch da ich diesen Hammer zwischendurch auch schätze, trinke ich das ganze Glas des Betäubungssaftes leer. Ich bin nicht allzu weit vom Hotel entfernt in einer typischen Beiz von Copacabana gelandet. Etwas herunter gekommen, viele ältere Leute, die zogen wohl mit der Entstehung der Hochhäuser vor rund 50 Jahren hierher, ein Mann mit tiefen Augenringen, der von einer üppigen, recht viel jüngeren Frau umschwänzelt wird. Drei Typen kommen nach mir herein, grimmige Gesichter, ich stelle mir vor, dass es wohl Gangsterbosse sind, die von den Favelas, die gerade über den bekannten Stränden liegen, herunter gekommen sind. Oder die zwei älteren Frauen, die begeistert dem jungen Sänger mit Gitarre zujubeln und im Takt wippen. Der Arme kämpft gegen die zwei Fernseher an. Einen Fanclub hat er wenigstens.

Am Morgen bin ich mit der alten Strassenbahn nach Santa Theresa hinauf gefahren. Ein antikes Tram, ein einziger offener Wagen mit Holzbänken. Die holprige Fahrt bringt mich in einer Stunde bis an die Endstation und zurück kosten nur ein paar Rappen. Das Tram rattert erst über eine Brücke, die wie ein römisches Aquädukt gebaut ist, zwei Reihen von Bogenfolgen übereinander, dann steil und kurvig die Hänge empor. Die Fahrbahn ist schmal, manchmal fährt das Tram rechts, manchmal links, denn die engen Kurven müssen irgendwie überwunden werden. Da die Strasse für den Verkehr nicht gesperrt ist - es hat zwar wenig, dafür auch noch kleine Busse - bedingt das ein beständiges Winken und sich wortstark Verständigen des Chauffeurs mit den übrigen Verkehrsteilnehmern. Doch alles klappt bestens, mit gewaltigem Quietschen schraubt sich das Ding in die Hügel. Eine atemberaubende Aussicht zwischen den alten, teils zerfallenen Villen mit Gärten hinunter auf die Stadt und das Meer. In den unteren Teilen des Stadtteils ist diese allerdings durch die modernen Hochhaustürme des Centro, des Geschäftszentrums versperrt.

Am Nachmittag dann der Pao de Açucar, der Zuckerstock, dessen Bezwingung gleichviel wie diejenige eines Schweizer Gipfels kostet und weit weniger gemütlich ist als das Tram, eher etwas beängstigend. Eine Schwebebahn, die sich erst über die Hochhaustürme erhebt und dann praktisch in die glatte gewölbte Felswand hinein zu fahren scheint. Dafür ist der Ausblick von oben wirklich gewaltig, ich bleibe bis weit nach dem Sonnenuntergang dort, obwohl der nicht allzu schöne Bilder liefert. Viel Dunst, die Küstenlandschaft versinkt darin und der Sonne gelingt es nicht, den Himmel zum Erröten zu bringen. Dafür wird es empfindlich kalt auf dem rund 370m hohen Gipfel.

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