Mittwoch, 8. Juni 2011

Rio, 1. Juni







Viele Touristen kämen eben wegen Drogen und Sex, meint der Taxifahrer, der mich am Abend von Ipanema nach Hause fährt. Drogen und Sex, diese Leute, das sei nicht unbedingt der beste Umgang, meint der Chauffeur, da müsse man vorsichtig sein. Und ja, gefährlich sei Rio schon. Aber übertreiben dürfe man trotzdem nicht. Er arbeite seit 30 Jahren als Taxifahrer nachts und sei erst 3 Mal überfallen worden. Wenn man bedenke, in dieser Zeit. Und, oh ja, natürlich seien auch Frauen gefährliche Gäste. Gerade die. Nein, der Instinkt helfe da nicht immer, darauf könne man sich nicht verlassen.....

Calvin, das sei ein Schweizer, meint der Ehemann des netten jungen Pärchens, das mich gestern auf dem Zuckerstock angesprochen hat. Calvin, finde ich etwas erstaunt, normalerweise erwähnten die Leute immer Roger Federer, wenn ich, aus der Schweiz. Der Mann erklärt seiner Frau, dass der Federer ein Tennisstar sei und meint anschliessend, natürlich auch der Luther, als ich ihn darauf aufmerksam mache, dass ich aus der Deutschschweiz komme. - Ganz offensichtlich ein gläubiges Paar. Auch wenn sie nicht so aussehen.

Heute fahre ich auf den Corcovado, den 700m hohen Gipfel mit der Christusstatue. Ich mag Aussichten. Obwohl es im Reiseführer heisst, nur bei gutem Wetter sinnvoll. Am Morgen hat es diese dunstige Bewölkung, aber das war die vorderen Morgen ebenso. Winter eben, die Luftfeuchtigkeit. Als die Sonne etwas stärker hindurch drückt riskiere ich es. Oben wird der Himmel wohl frei sein. Mit der Zahnradbahn auf dem Gipfel angekommen stecken wir in dichtestem Nebel. Selbst den Kopf des Christus kann ich nicht mehr erkennen. – Nein, das bleibe bis Samstag so, meint der rundliche schwarze Kellner lachend, bei dem ich einen Kaffee bestelle, da müsse ich nicht warten. Das habe der Wetterbericht voraus gesagt. Ich denke an die Reisegruppen mit Japanern, die bei Regen auf das Jungfraujoch fahren. In Rio ist es eine Gruppe Inder. Auch Franzosen hat es viele. Und mich.

„Carpe Diem“ heisst es in Schreibmaschinenschrift im Genick der Frau vor mir im Bähnchen. Eine dunkelhaarige und weisshäutige extravagante Engländerin mit schwarzen Fingernägeln und vielen Tätowierungen. Ihr Partner scheint sehr verliebt in sie zu sein, das knistert nur so von Erotik. Auf ihrer Schulter der Kopf einer Schlange, ein Stück des Leibes sehe ich zwischen Shirt und Jeans. – Ganz allgemein sehe ich in Brasilien extrem viele Tattoos. Weil die Leute mehr Haut zeigen? Vielleicht auch. Doch gerade die Brasilianer sind übersät mit Sternchen und Blümchen und vielen Geschmacklosigkeiten. Frauen wie Männer. - Ich frage mich nun, ob dies ein Erbe der Indianer ist. Die liebten es ja auch, sich mit farbigen Zeichnungen zu schmücken.

Die Stadt Rio de Janeiro ist ein Netz von Siedlungen, das sich in die Täler und Schluchten zwischen den Felshügeln und dem Meeresstrand drängt. Die Favelas steigen teils weit empor. Nicht die schlechteste Wohnlage finde ich, da muss man ja wahnsinnige Ausblicke haben. Auch Hochhäuser werden teils in die Felsen gepflanzt. Das bedingt gewaltige Verbauungen. Zwischen die Hochhausschluchten – in Rio müssen schon seit anfangs des vorderen Jahrhunderts Hochhäuser gebaut worden sein, wie in New York, einzig in Europa hatte man damals nicht den Mut dazu – ducken sich die Kronen von Tropenbäumen und erheben sich stolz die Wipfel von Palmen. Erstaunlich grün ist es in diesen engen Strassenschluchten, auch Pflanzenbeete gefüllt mit Zimmerpflanzen – wären das bei uns.

40 bis 45 Grad sei es hier im Sommer, meint die Coiffeuse, bei der ich meine Haare schneiden lasse, und gerade in dieser Zeit habe es keinen Wind. Auch der Nachmittag bleibt düster, ähnlich einer Hochnebelsituation in der Schweiz. Allerdings ist es über den Gipfeln viel finsterer, hat dafür über dem Meer blaue Flecken im Himmel und die Inseln weiter draussen und die grossen Containerschiffe, die dort warten, leuchten unter dem Sonnenschein. - Angenehm sei es jetzt, meint die Coiffeuse. Obwohl, eigentlich zu kalt, so sei es selten. Waschen, schneiden und färben kosten genau 100 Reais, als ich auf ihre Frage, ob sie eine Pflegespülung ins Haar geben dürfe antworte, ja, wenn alles nicht mehr als 100 Reais koste, denn gerade soviel hätte ich bei mir. Da war ich etwas ungeschickt.

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