Montag, 23. Mai 2011

Jericoacoara, 13.Mai







Plötzlich hat mich dann doch die Panik ergriffen. Geburtstag ganz alleine, ohne Freunde und Familie um mich herum? Es ist eine Première für mich - aber mit 55 Jahren eigentlich an der Zeit.

Nachdem ich vorgestern Nacht kein Auge zugemacht habe, weil in einer Bar im Quartier bis 4 Uhr morgens laut Musik gespielt wurde, wollte ich überstürzt abreisen und mir ein neues Paradies zum geburtstagen suchen. Habe aber dann feststellen müssen, dass es mir gar nicht mehr reichen würde, auf die Tropeninsel Fernando de Noronha zu gelangen. Und ich so meinen Geburtstag unterwegs in Fortaleza feiern würde. Als ich die Bilder dieser Stadt im Internet gesehen habe, habe ich den Plan sofort wieder umgekippt. Fortaleza sieht aus wie die Mittelmeerküste von Spanien, alles überbaut, nur höher, eine richtige Horrorstadt. - Und habe schliesslich nur das Hotel gewechselt. Nun bin ich in einer kleinen und liebevoll gestalteten Pousada, die einem Italiener gehört. Eines der seltenen Gebäude, das so gebaut ist, dass man einfach die Lamellen der Fensterläden kippen kann und die Luft so ganz natürlich hindurch streichen kann und das Licht gedämpft hinein. Das Badezimmer ist mit Mosaiksteinen ausgekleidet, die Wände sind teils weiss, teils lauchgrün, teils ebenfalls mit Mosaiken ausgekleidet, einzig die Bilder sind nicht ganz nach meinem Geschmack.

Heute Morgen hat mich der Sonnenschein geweckt, der ins Zimmer drang. Das ist im Moment selten, häufig Wolken. Ich bin an den Strand hinunter gegangen und dem Meer entlang gerannt. Wie früher in Sansibar. Anschliessend habe ich einen Kokosnussaft gekauft und dem Verkäufer meine Sachen anvertraut, so dass ich unbesorgt im Meer schwimmen konnte. Schliesslich habe ich schon wieder zwei Ohrengehänge aus Fischknochen gekauft, ich habe nun bereits eine Riesensammlung von Schmuckstücken. In Südamerika hat es enorm viele junge Leute, die herumreisen und sich dies mit dem Schmuckverkauf verdienen. Und ich schaffe es viel zu selten, nein zu sagen. - Genauso ergeht es mir mit den Katzen und Hunden unter den Restauranttischen. Sobald ich mich erweichen lasse, habe ich sofort eine riesige Meute sich balgender Tiere um mich herum. Das ist mir einerseits peinlich. Andererseits fressen die dasselbe am liebsten wie ich, nämlich Fisch oder Fleisch. Nie Reis oder Bohnen.
Immerhin sind in Jeri sowohl Katzen wie Hunde gesund und haben ein schönes Fell. Keine räudig verseuchten Tiere.

Gegen den Abend, sobald die Hitze etwas nachlässt, gehe ich wieder an den Strand. Später hinauf auf die Düne, dort oben herrscht um diese Zeit Hochbetrieb. „Pôr do sol“ („Po du sou“ ausgesprochen) nennen die Brasilianer den Sonnenuntergang. Auch eine Styroporkiste mit Getränken ist hinauf geschafft worden, eine improvisierte Bar, zur Feier des Tages genehmige ich mir einen Caipirinha. Ein starker Drink, der mich fast umwirft, der Sonnenuntergang wird so noch berauschender. Als es bereits fast dunkel ist, stürze ich mich wie andere den Steilhang der Düne zum Meer hinunter. Der ist mindestens so steil wie eine schwarze Skipiste in der Schweiz, die Jugendlichen bewältigen ihn gerne mit Surfboards. Ich hingegen nur zu Fuss, in grossen Sprüngen, die Arme ausgebreitet, ein Fluggefühl, einem Vogel gleich in die bereits fast schwarze Nacht.

Nach zehn Uhr abends gehe ich mit einer Flasche Wein ins Reisebüro des holländisch-brasilianischen Paares. Als Dank dafür, dass sie mir geraten haben, doch besser hier zu bleiben. In Fortaleza würde ich nicht glücklich sein. Auch ein häufig hier lebender Amerikaner ist dort, doch trinken leider alle keinen Alkohol. Der Holländer, weil früher zu viel, seine Frau hat gar nie damit angefangen, zum Glück findet ihr Mann, und der am ganzen Körper tätowierte Amerikaner scheint auch eine illustre Vergangenheit zu haben und darf nicht trinken, weil er Medikamente gegen Epilepsie nehmen muss. Auch ohne Alkohol bleiben wir bis 1 Uhr früh sitzen und plaudern. Freunde habe man doch überall, meint der Holländer, als ich ihm gestehe, dass meine überstürzt geplante Abreise, damit zu tun gehabt habe, dass ich mich vor meinem Geburtstag gefürchtet hätte.
Nun bleibt mir immer noch eine gute Flasche brasilianischen Rotweines. Auch der Portugiese sei noch hier, erfahre ich, und die zwei jungen Deutschen von Paulino Neves habe ich auch kurz erblickt. Ich denke nicht, dass ich den Wein alleine trinken muss.

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