Samstag, 12. März 2011

Küstenwüste








Das giftgelbe Getränk sieht nicht nur furchtbar aus, es ist geschmacklich sogar noch viel schlechter als befürchtet. Wie süsseste Täfelis. Ich habe mich dazu verleiten lassen eines zu bestellen, weil das Gesöff hier alle trinken und vor allem, weil es Inka Cola heisst - alles heisst hier etwas mit Inka – ich im Moment einen verdorbenen Magen habe, irgendetwas will nicht hinunter rutschen, aber auch nicht zurück kommen, ich dachte, eine Cola richte das schon. Als der Kellner dann fragte, eine Inka Cola, habe ich eigentlich eine peruanische Variante von Cola erwartet, doch das, was ich bekam, hat damit nichts zu tun. – Gestern Abend habe ich es bereits mit einem Pisco sauer versucht, da war mehr Alkohol drin als je, das ist sofort in den Kopf gestiegen und ich war froh, nicht allzu weit zurück zum Hotel zu haben. Den Magen allerdings hat es nicht geheilt.

Gestern bin ich in einer 13-stündigen Busfahrt von Lima aus der Pazifikküste in nordwestlicher Richtung folgend rund 800km weiter nördlich nach Chiclayo gelangt. Es war eine anstrengende Fahrt, obwohl die Busse komfortabel sind, mit Toilette ausgerüstet und auch für das Essen wird nicht angehalten. Mir wäre es eigentlich lieber wie früher. Alle 2 Stunden ein Stopp, damit man sich die Füsse vertreten kann. Und diese doofen Videos die ganze Zeit, darauf könnte ich auch verzichten. Denn merkwürdigerweise parasitieren diese Bildschirme mit Geknalle, Gestöhn, Geschluchz und ich Liebe dich, meine Aufmerksamkeit auf die Landschaft. Der Bildschirm ist immer im Blickwinkel und die stark bewegten Bilder ziehen das Auge offensichtlich magisch an. Viel mehr, als die ruhig vorbeiziehende Küstenlandschaft, das Abendrot über dem Meer, das malerisch und langsam verglimmt. Der schönste Teil der Reise war übrigens direkt am Anfang, gerade nachdem der Moloch Lima nach einer guten Stunde Busfahrt langsam ausfranste und der Einsamkeit wich. Eine Steilküste bestehend aus nackten Felsen und Sandbergen, die sich ins Meer stürzen, ein Meer, das wütend an die Felsen brandet und schäumt. Offensichtlich verlangt diese Strasse, ein Teil der Transamerikana, permanenten Unterhalt, denn sie wird immer wieder von Sand zugeweht, Strassenmaschinen sind am Werk. In gewagten Kurven schlängelt sich die zweispurige Strasse durch die Abhänge, wenig Verkehr, fast nur riesige Lastenzüge und Fernbusse. Später wird es dann flacher, immer noch kahle Bergspitzen ohne Vegetation, doch auch fruchtbare Küstenebenen in denen Zuckerrohr, Mais und etwas Baumwolle angepflanzt wird. Am meisten fallen mir die riesigen Spargelfelder auf. Da wird kaum nur für das Land hier produziert. Für Nordamerika? Oder kann man auch in der Schweiz peruanische Spargeln kaufen? Saison ist nicht im Moment. Auffällig an dieser ganzen Küste, die offensichtlich an bewässerten Stellen fruchtbar ist, sind vor allem die riesigen Monokulturen. Da sind keine Kleinbauern am Werk, das sind Plantagen und Feldarbeiter. Ich sehe manchmal hässliche Ansammlungen von winzigen Häusern, häufig nur aus geflochtenem Schilf bestehend, ohne Schatten kleben sie in den steinigen Hängen, ich befürchte, das, was wie Flüchtlingscamps aussieht, manchmal noch von einer Mauer umgeben, das sind die Wohnorte der Feldarbeiter.
Oder die riesigen, vielleicht hundert Meter langen weissen Zelte, die mitten in der Wüste stehen. Ich frage meine Nachbarin, was das denn sei? Sie meint, Geflügelfarmen, vor allem Hühner. Von was man die ernähre, hier wachse ja nichts? Von Fischabfällen vor allem, vielleicht auch etwas Mais. - Ich werde wohl in Zukunft etwas weniger Pollo bestellen.
Mais ist ein wichtiges Lebensmittel für die Leute in Südamerika. Und das Maisstroh wird ebenfalls verwertet. In Lastwagen wird es herumgekarrt in unfruchtbare Gebiete, wo Rinder, Ziegen und Schafe in Gehegen auf steinigem Boden oder im Sand herumstehen und an diesem Stroh kauen. Auch die Tiere scheinen in Peru genügsamer zu sein.

Neben malerischen Wüstenlandschaften in unterschiedlichsten Farben, Kakteen sehe ich keine, manchmal Dornengebüsch, sie wollen nicht enden bis Chiclayo, auch immer wieder Ausschnitte aus Komödien und Trillern. Einmal muss ich wirklich fast erbrechen, so furchtbar ist das Gemetzel, ich hätte es gerne ruhiger gehabt. Ruhig wiederum ist es in den Dörfern am Strassenrand, kaum Licht, wenige Strassenlampen und die Fahrer scheinen das Gefühl zu haben, dass Licht etwas koste. Ausgestorben wirkt das, obwohl die Gegend gegen Norden dichter besiedelt ist. Zwischendurch halten wir irgendwo an, fahren durch kleinste Gässchen wo der zweistöckige Bus fast nicht mehr durchkommt, halten vor einer mit Neonlampen beleuchteten Busstation, zwei Stühle, wo komme ich da wohl hin? Das mit den Busstationen ist in Peru etwas speziell. Die vielen privaten Busgesellschaften haben alle ihre eigenen, dafür kleinen Stationen überall in den Städten verteilt. Kein grosser Busbahnhof, wo man die Auswahl hat.

Chiclayo erreichen wir gegen 10 Uhr abends. Es ist zum Glück doch etwas grösser und belebt und ich finde ein Hotel, dass gar nicht so schlecht ist. Wenn ich darauf bestanden hätte, wäre es sogar ein Zimmer mit Fernblick geworden, doch ich bin müde und froh, dass mir der Mann am Empfang mein Gepäck hinaufschleppt und getraue mich nicht zu sagen, noch einen oder zwei Stöcke höher hinauf bitte.

Heute entdecke ich die Stadt etwas, die Museen, die die Gegenstände der archäologischen Grabungen aus der Umgebung zeigen, sind leider alle ausserhalb der Stadt. Ich habe keine Lust auf eine geführte Tour, mein Bauch, die Hitze auch, geben mir zu schaffen, ich mache mir einen faulen Tag bis zur Weiterfahrt heute Abend. Schlendere etwas durchs Zentrum, immer dem Schatten folgend, die Praça das Armas ist auch hier der Hauptplatz, die Hauptstrasse mit Bäumen, Geschäften und Restaurants heisst Av. Balta, ein paar Kirchen locken mich wenig, ich kaufe auf dem Markt Bananen ein.

Die Leute hier in Peru sprechen übrigens sehr wenig Englisch, viel seltener als das die Chinesen gemacht haben. Die waren stolz, wenn auch meist scheu und zurückhaltend, wollten aber ihre Sprachkenntnisse ausprobieren, wenn sie welche hatten. Hier in Peru hat erst die Frau an der Rezeption in Lima von sich aus mit mir Englisch zu sprechen begonnen. Sie merkte offensichtlich, dass mir das Spanisch nicht leicht fiel. Sonst hat das noch niemand gemacht. Auch nicht in Tourismusbüros, an Busstationen oder in Hotels. Immer wird Spanisch gesprochen. Und manchmal, wenn mich jemand nervt, die Leute sind hier nicht allzu dienstfertig in ihren Jobs, dann antworte ich auf Englisch. Und habe das Gefühl, dass sie schon verstehen - aber nicht sprechen wollen. Das ist ja verständlich, die Amerikaner sind hier nicht unbedingt beliebt. Überhaupt wir Weissen, Gringo ruft man mir häufig nach, das ist nicht wie in Afrika, wo ein Weisser eben immer noch alleine wegen seiner Hautfarbe Respekt erhält, man traut ihm mehr zu als sich selber, was natürlich schlecht ist und sicherlich ein Grund, weshalb sich Afrika so langsam entwickelt. - Hier empfinde ich das überhaupt nicht so. Heute morgen blickte mich eine Frau nur feindselig an mit ihren dunklen Augen, als ich sie nach dem Weg fragte. Zum Glück aber, gab dann eine andere, die ich gar nicht angesprochen hatte, von sich aus Auskunft. Doch, freundliche und hilfsbereite Leute, die gibt es auch hier. Bisher habe ich immer jemanden gefunden, wenn ich Hilfe brauchte.
Und habe gestern sogar auch erstmals ein Kompliment gekriegt für mein Spanisch. Ich spräche gut, meint der Taxichauffeur. Vielleicht ein Schmeichler, doch trotzdem, mich freut es. Ich habe selber das Gefühl, dass es langsam wieder besser geht.

Vom Wert des Geldes. Peru ist für uns Schweizer billig, 20 Franken reichen für ein anständiges Hotelzimmer, obwohl man es natürlich auch viel teurer haben kann. Für etwa 25 Franken wiederum kann ich rund 800 km in einem Luxusbus fahren, das wäre noch billiger zu haben, doch im Verkehr ist mir die Sicherheit wichtig, die Peruaner sind leidenschaftliche Fahrer und vor allem Huper, da lobe ich mir einen Buschauffeur mit der nötigen Ruhe. Essen kann man ab 2 bis 3 Franken und zwar gut, am schlechtesten habe ich bisher teuer gegessen. Und in den Bancomaten ist der Maximalbezug täglich 400 Soles, also rund130 Schweizer Franken. Das wiederum sagt bereits vieles aus, über das Geld, das die durchschnittlichen Leute hier zur Verfügung haben. Bereits 1 oder 2 Soles Trinkgeld machen sie glücklich, sie scheinen sich das nicht gewohnt zu sein.

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